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GründerInnen sind selten Startups
Aus unser praktischen Arbeit mit GründerInnen heraus, fällt uns eine Sache ganz entscheidend auf: Wir haben oft ein Verständnisproblem. Wirft man einen Blick auf die Berichterstattung über das „Gründen in Deutschland“ liest, man sehr oft das Wort „Startup“. Viele unserer GründerInnen, die wir begleiten dürfen, identifizieren sich damit wenig. Sie verstehen sich als Solo-Selbstständige, als Freischaffende, als GründerInnen oder als Crowdpreneur. Doch wo liegen die Unterschiede zwischen Startup und GründerInnen? Ist es überhaupt wichtig, einen genauen Blick darauf zu werfen? Wir sagen JA! Es ist entscheidend einen Blick darauf zu werfen, weil sonst grundsätzlich ein falsches Verständnis erzeugt wird, sowohl in der gesellschaftlichen als auch in der politischen Wahrnehmung.
Was ist ein Startup?
Der Begriff hat seinen Ursprung im Englischen „to start up“ und bedeutet so viel wie „gründen, in Gang setzen“. Der Blick in Gablers Wirtschaftslexikon bringt noch einmal etwas mehr Kontur in den Begriff hinein:
junge noch nicht etablierte Unternehmen, die zur Verwirklichung einer innovativen Geschäftsidee […] mit geringem Startkapital gegründet werden und i.d.R. sehr früh zur Ausweitung ihrer Geschäfte und Stärkung ihrer Kapitalbasis entweder auf den Erhalt von Venture-Capital bzw. Seed Capital (evtl. auch Business Angels) angewiesen sind. Aufgrund der Aufnahme externer Gelder wie Venture-Capital ist das Unternehmen auf einen Exit angewiesen, im Zuge dessen die Kapitalgeber ihre Investments realisieren.
Häufig findet man Startups in den Bereichen Kommunikationstechnologie oder Life Sciences, wobei es sicherlich auch andere Beispiele gibt. Wichtig ist, ein Startup ist mit Blick auf Investoren grundsätzlich mit einer Exit-Strategie versehen. Ziel ist: schnelles Wachstum.
Was unterscheidet Startups und GründerInnen per se?
Bei der sogenannten „klassischen Gründung“ fehlt laut Definition die innovative, wachstumsorientierte Geschäftsidee. Schauen wir wieder auf Gablers Wirtschaftslexikon, lesen wir dort:
Errichtung eines arbeitsfähigen, erwerbswirtschaftlichen Betriebs
Zugegeben das klingt unspektakulär und fast schon zu selbstverständlich. Aber genau da unterscheiden sich GründerInnen von Startups. Eine Gründung einer neuen Schreinerei, eines neues Friseursalons, einer neuen Bäckerei ist eine Gründung in ein etabliertes Geschäftsmodell, zumindest laut der Definition. Zudem führen diverse Artikel über „Startups“ weiter aus, „fehlt diesen jungen Unternehmen die innovative Geschäftsidee“.
Warum ist es wichtig, zu unterscheiden?
Man kann durchaus mit neuem innovativen Blick auf ein bestehendes Geschäftsmodell schauen. New Work ist da ein großes und auch relevantes Thema mit Blick auf Work-Life-Balance. Gerade GründerInnen gründen mit Fokus auf stabiles Wachstum. Sie wollen tatsächlich und langfristig ihren Lebensunterhalt mit der Gründung bestreiten. Sie schaffen im Schnitt 0.5 bis 4 Arbeitnehmerstellen (Quelle: kfw Monitor 2019) in den ersten Jahren nach ihrer Gründung. Sie gründen, um unabhängiger zu sein und eigene Arbeitszeitmodelle, Produktqualitäten oder Werte in ihrer Arbeit zu integrieren, die sie in keinem anderen Unternehmen gefunden haben. Sie betreiben ihre eigene Innovation im Bereich der Unternehmensentwicklung. Deshalb sollten gerade diese GründerInnen gefördert, unterstützt und gut begleitet werden. In der Wahrnehmung und in der Berichterstattung sind es die Startups, die den Ton angeben. Wichtig ist auch hier zu differenzieren. Denn gerade bei Startups ist die Chance des Scheiterns bedeutend höher als bei langfristigen soliden Gründungen. Die Corona-Krise hat ein neues Selbstverständnis aufgezeigt. Künstler, Freischaffende und Solo-Selbstständige verstehen sich als „Selbstständige“ als „Unternehmen“. Begrifflichkeiten und Einordnungen sind es derzeit, die über Hilfe und Soforthilfe, über Förderung oder zinslose Kredite entscheiden. Wie am aktuellen Konjunkturprogramm des Bundes zu erkennen ist, wurden Selbstständige zu wenig berücksichtigt, Startups jedoch schon.
GründerInnen sind keine Startups, können aber welche sein. GründerInnen und Selbstständigkeit sollte nicht als „schnöde oder klassisch“ unattraktive Option wahrgenommen werden. Die Werte und Vorstellungen dieser neuen GründerInnen zielt auf nachhaltiges Wachstum statt auf aggressive Expansion. Deshalb lohnt es sich, die passende Begrifflichkeit zu verwenden, wenn man über Gründungen in Deutschland spricht. Sprichst du von einem Startup oder sprichst du von GründerInnen? Sprichst du von Startup-Förderung? Oder geht es um Förderung für GründerInnen? Achtet drauf, worüber gesprochen wird und ob ihr euch angesprochen fühlt, denn es geht am Ende um viel mehr als nur Begrifflichkeiten.